Von Agni zu OM

OM, der kosmische Klang, wird heute in Indien vor jeder Rezitation intoniert. Doch findet OM keine Erwähnung im Rig Veda. OM erscheint erst in den Upanishaden.

Mandukya Upanishade I.1.1 und 2
Om! Diese Silbe ist die ganze Welt. Ihre Erläuterung ist wie folgt. 

Das Vergangene, das Gegenwärtige und das Zukünftige, dieses alles ist der Laut Om.
Und was außerdem noch über die drei Zeiten hinausliegend ist, auch das ist der Laut Om.

Chandogya Upanishade I.1.2 und 5
Dieser Wesen Essenz ist die Erde, der Erde Essenz sind die Wasser, der Wasser Essenz sind die Pflanzen, der Pflanzen Essenz ist der Mensch, des Menschen Essenz ist die Rede, der Rede Essenz ist die Rig (der Vers des Rig Vedas), der Rig Essenz ist das Saman (der Sama Veda), des Saman Essenz ist der Udgita (der Gesang (des Sama Vedas)).

Die Rig ist die Rede, das Saman ist Odem, der Udgita ist die Silbe Om. Darum bilden sie ein Paar, die Rede und der Odem, die Rig und das Saman.

Fast tausend Jahre sollten zwischen der Komposition der Rig Vedischen Hymnen und dem Erscheinen des Wortes OM beim Gesang von Yajur und Sama Veda Hymnen vergehen. Und noch ein paar weitere hundert Jahre vergingen, bis OM in den Upanishaden seine volle Entfaltung erreichte. Es ist eine faszinierende Reise des Gedankens der Vedischen Seher, die die Vedischen Hymnen und die Upanishaden verfassten. Einige dieser Hymnen bleiben für die Tiefe ihrer Einsicht und Schönheit ihres Ausdrucks unübertroffen. Sie können als gemeinsames Erbe der Menschheit angesehen werden.

Die meisten Hymnen im Rig Veda sind Agni, dem Feuer, gewidmet, denn Feuer war zu jener Zeit das wichtigste Element.

Rig Veda I.1.1 und 5 – RV I ist verschiedenen Rishis zugeordnet.
Agni berufe ich als Bevollmächtigten, als Gott-Priester des Opfers, als Hotri, der am meisten Lohn einbringt.

Agni, der wahre Hotri mit Sehersinn und am meisten ruhmglänzend, der Gott soll mit den Göttern herkommen.

Rig Veda V.1.1 – RV V ist dem Rishi Atri zugeordnet
Agni ist durch das Brennholz der Menschen wach geworden in Erwartung der Usas (Morgenröte), die wie eine Kuh sich naht. Wie die jüngsten Vögel, die zum Zweig auffliegen, eilen seine Strahlen zum Himmel empor.

Rig Veda VI.1.1 – RV VI ist dem Rishi Bharadvaja zugeordnet
Du, Agni, warst ja der erste Ersinner und Opferpriester dieser Dichtung, du Meister. Du Bulle machtest es zu einer unüberwindlichen Macht, um jede Macht zu überwältigen. 

Rig Veda VII.1.5 – RV VII ist dem Rishi Vasishtha zugeordnet
Gib uns, Agni, nach Wunsch einen trefflichen Schatz an Meistern, guten Kindern, du
Gewaltiger, den niemals ein Zauber überwindet. 

Die verschiedenen Rig Vedischen Dichter beginnen mit der Ehrung Agnis. Agni ist nicht nur ein großzügiger Gott, Er wird auch gebeten andere Götter zum Opferplatz zu bringen.

Es entspricht der menschlichen Natur, dass, wenn das Überleben durch Nahrung und Obdach gesichert ist, er sich höheren Impulsen zuwendet. Dies kommt in Rig Veda III.62.10 zum Ausdruck.

Dieses vorzügliche Licht des Gottes Savitri (Sonne) empfingen wir, der unsere Gedanken anregen soll.

(Der Vers ist heute als Gayatari Mantra bekannt, er wird gesungen und es wird über ihn meditiert, um höchste Einsicht zu erlangen. Übersetzungen und Interpretationen gibt es zuhauf. CS)

Das Erkennen, dass es eine Kraft hinter all den ‚funktionalen‘ Gottheiten des Rig Vedas gibt, war der erste Schritt hin zur ‚Einheit in der Vielfalt‘. Rig Veda I.164.46.
Sie nennen es Indra, Mitra, Varuna, Agni und es ist der himmlische Vogel Garutmat. Was nur das Eine ist, benennen die Redekundigen vielfach. Sie nennen es Agni, Yama, Matarisvan.

Rig Veda X.121.2 und 10
Der Leben und Kraft gibt, des Weisung alle, des Weisung die Götter harren, des Schattenbild Unsterblichkeit und Tod sind. – Wer ist der Gott, dem wir mit Opfer dienen sollen? 

Prajapati, kein anderer als Du umspannt schützend alle diese Geschöpfe. Mit welchem Wunsche wir Dir opfern, der werde uns zuteil! Wir möchten Gebieter von Reichtümern sein! 

Rig Veda III, Gayatri, und Rig Veda X, Prajapati, werden dem Rishi Vishvamitra zugeschrieben. Gaytari entstammt dem ältesten Teil des Rig Vedas (II bis VII). Rig Veda X wurde später verfasst. Die Verschiedenheit der Sprache spricht für sich.

Prajapati wird als der Eine, der Schöpfergott, angesehen.

Die Frage war ‚Wer?‘ ‚Ka?‘ Die Prajapati Hymne wurde vom Verfasser mit ‚Ka‘ betitelt.

Die erste Erwähnung von OM findet sich in der Taittiriya Samhita des Yajur Vedas, verfasst von Yajnavalkya. Der Yajur Veda wurde gefolgt vom Sama Veda, der bereits OM zu Beginn der Hymnen enthielt.

Sama definiert die Tonleiter und setzt die Hymnen des Rig Vedas um in Gesang, den der singende Priester während des Ritus‘ singt. Anscheinend wurde OM von diesen Priestern als Prefix genommen, um die Qualität ihrer Rezitationen aufzuwerten. Einmal verwendet waren Vibration und Resonanz von OM nicht mehr wegzudenken. OM wurde die meist rezitierte Silbe aller Vedischen Hymnen. Als Prefix OM, für sich allein stehend AUM.

Prajapati blieb vom Wandel nicht verschont, er wurde durch Ishvara, Herr, ersetzt. Herr, als der Allmächtige, Allwissende, Allgegenwärtige. Aus Letzterem entwickelte sich das alldurchdringende Prinzip, Brahman. Brahman entwickelte sich weiter in den Upanishaden und findet sich in der Bhagavad Gita Jahrhunderte später wieder. Ishvara und die Schöpfung sind eins.

Die Vedischen Seher sahen in die Flammen Agnis und erkannten OM – strahlend in jedem Partikel des Universums. Hindus, um das heilige Feuer sitzend und Preislieder singend dem Einen, sehen in Agni das Mittel zur Schaffung einer hingebungsvollen Umgebung, um den Einen zu erreichen.

Vielleicht war es die Vibration von OM, die den kosmischen Willen erweckte
und die Schöpfung auslöste.

Brihadaranyaka Upanishade V.1.1

Alles ist Fülle, aus Fülle geht Fülle hervor.
Nimmt man von der Fülle die Fülle, bleibt Fülle

पूर्णमदः पूर्णमिदं पूर्णात्पुर्णमुदच्यते
पूर्णस्य पूर्णमादाय पूर्णमेवावशिष्यते

 

Verfasst von Harish Midha – übersetzt mit freundlicher Genehmigung von boloji(punkt)com

Quelle der Verse aus Rig Veda und Upanishaden: sanskritweb(punkt)net und 12koerbe(punkt)de