Prajapati – Herr der Geschöpfe

Die Gottesvorstellung in der Vedischen Literatur 

Überwältigt von den Phänomenen der Natur personifizierten und vergöttlichten die Menschen diese, schrieben diesen ‚Devas‘ Allgegenwart, Macht, Unbezwingbarkeit, Allwissenheit, Gerechtigkeit, Wahrhaftigkeit und Wohlwollen zu. Erreichbar waren sie mittels Hymnen, Gebeten und Opfergaben, wofür sie das vom Menschen Erbetene, gewährten. Die verschiedenen Devas wurden einzeln, in Gruppen oder als Alle angerufen.

Deva bedeutet ‚Strahlend‘, so gleißend, dass man den Deva nicht sehen und somit nicht beschreiben kann. Jeder einzelne Deva kann als ‚der Höchste‘ verehrt werden, wobei die Veden klarstellen, dass es nur ein ‚höchstes Wesen‘ gibt. (Ich bleibe, soweit möglich, bei dem Begriff ‚Deva‘, dann Begriffe wie Gott und Götter drücken nicht die tatsächliche Bedeutung aus.)

Die folgenden Verse postulieren ‚die Einheit in der Vielheit und die Vielheit in der Einheit‘, jeder Deva ist eine Erscheinung der einen Essenz.

Sie nennen es Indra, Mitra, Varuna, Agni und es ist der himmlische Vogel Garuda. Was nur das Eine ist, benennen die Redekundigen vielfach. Sie nennen es Agni, Yama, Matarishvan. RV I.164.46

Du, Agni, bist Varuna, wenn du geboren wirst, du bist Mitra, wenn entzündet. In dir, du Sohn der Kraft, sind alle Götter. Du bist Indra für den opferwilligen Sterblichen. RV V.3.1

Im RV X.121/129 ist das Wasser der Ursprung der Devas, in X.129 entstanden sie nach der Schöpfung. Beide Hymnen finden Sie auf dieser Seite – Nasadiya Sukta und Kasmai devaya?

Im Atharva Veda X.7.25 sind sie aus dem Nichtseienden erschienen: Herrlich, fürwahr, sind die Devas, die aus dem Nichtseienden sich erhoben.

RV X.63.2 nennt drei Entstehungen: Denn alle eure Namen sind ehrwürdig, lobwürdig, ihr Götter, und anbetungswert. Die ihr von der Aditi abstammet, vom Wasser, die ihr von der Erde, erhöret hier meinen Ruf!

Eine Klassifizierung der Vedischen Devas nach ihrer Wichtigkeit ist unmöglich. Die Gelehrten ordneten sie den Regionen zu, in denen sie wirkten, in der Atmosphäre oder auf der Erde.

Agni, das alles verschlingende Feuer, ist die herausragende Gestalt des Rig Vedas, dem Menschen am nächsten. So wurde er als Bote, der die Devas zum Opfer lädt bzw. das Opfer zu ihnen bringt, das personifizierte Opferfeuer.

Agni! Fahre die Götter her zum Opfermahl, mit Indra an der Spitze sollen sie sich hier ergötzen. Bring dieses Opfer zu den Göttern im Himmel! Behütet ihr uns immerdar mit eurem Segen! RV VII.11.5

Agni, Der du die Wege der Völker kennst, teile die Gaben der Reihe nach aus zum Leben! Du wardst der unermüdliche Bote, der Opferfahrer, der die von Göttern begangenen Pfade herauskennt. RV I.72.7

Indra ist ein Deva der Atmosphäre, der Deva der Natur. Er besiegt den Dämon ‚Dürre‘, indem er es regnen lässt. Er versammelt die Regenwolken, schickt Blitz und Donner.

Der vor dir, Indra, sich breitmachend die großen Gewässer umlagerte, den stießest du niederunter die Tritte deiner Rosse. RV VIII.6.16

Auch Kriegern stand Indra hilfreich zur Seite.

Den zwei Schlachthaufen, wenn sie aneinandergeraten, anrufen, die beiderseitigen Feinde hüben und drüben – auch die zwei, die den gleichen Wagen bestiegen haben, rufen ihn jeder besonders an – der, ihr Leute, ist Indra. RV II.12.8

Als Ansporn für dich, den Freigiebigen, Starken lasse ich die Rede los, zum Empfang des Unsterblichen bereit. Indra, du bist der Anführer der menschlichen Völker und der göttlichen Stämme. RV III.34.2

Indra, der Bruder des Menschen: Geh‘ fort, du Gabenreicher, und komm‘ wieder, Bruder Indra; an beiden Orten hast du ein Ziel, wo man den hohen Wagen einstellt und den siegreichen Esel ausspannt. RV III.53.5

Der Sieg Indras über den Dämon Vritra, der die Wasser versteckte, machte ihn schlussendlich zum ‚König der Devas‘.

Dir, Indra, ward die ganze Dämonenmacht insgesamt gleich der des Himmels von den Göttern zugestanden, als du, den Drachen Vritra erschlugst, der die Gewässer eingeschlossen hatte. RV VI.20.2

Varuna ist ein Deva des Himmels. Nichts entgeht ihm, allwissend und allgegenwärtig ist er.

Der die Spur der Vögel weiß, die in der Luft fliegen, er weiß die des Schiffes als Meeresgott. Er kennt die zwölf Monate mit ihrem Nachwuchs, der Gesetzvollstrecker; er kennt den, der nachgeboren wird. Er kennt die Bahn des Windes, des breiten, hohen, großen; er kennt die welche darüber thronen. RVI.25.7-9

Er ist der Herr der kosmischen Gesetze und der Wahrheit, beides Rta benannt. Daraus formte sich der heute gängige Begriff Dharma.

Durch die Wahrheit habt ihr, Mitra und Varuna, ihr Wahrheitsmehrer, Wahrheitspfleger, hohe Einsicht erlangt. RV I.2.8

Rudra ist ein zornvoller Deva, ein Sturmgott. Doch hatte er auch eine mitfühlende Seite, diese ließ ihn zum heutigen Shiva, den Wohlwollenden, werden. Das Shri Rudram, eine Hymne an Rudra, lesen Sie auf meiner Shiva Seite ‚Vedische Kostbarkeiten‘.

Mit dem eilenden Rudra gehen die Ströme, sie überholen die große Aramati, mit denen der herumfahrende Wind seinen weiten Umlauf machend im Bauche dröhnend alles benetzt. RV X.92.5

Vishnu war der Vedische Sonnengott, der mit drei Schritten schreitet – Sonnenaufgang, Sonnenhöchststand, Sonnenuntergang.

Vishnu hat dieses All ausgeschritten, dreimal hat er seine Spur hinterlassen. In seiner staubigen Fußspur ist es zusammengehäuft. RV I.22.17

Mit der Frage, welchem Gott man das Opfer denn nun darbringen solle, erscheint in RV X.121 der Name Prajapati. Der Gedanke an einen Schöpfer nahm Gestalt an und der Wunsch, ein göttliches Wesen als das höchste zu verehren. Siehe ‚Kasmai devaya?‘ auf dieser Seite.

Hiranyagarbha, der goldene Keim, ist Prajapati, der Herr der Geschöpfe. Er ist der Anfang, er schuf Himmel und Erde, er ist der alleinige Herr des Universums, über Berge, Ozeane, Flüsse, Devas, Menschen und Tiere gebietend. Alles in diesem Universum ist die Manifestation eines alldurchdringenden Prinzips.

In den Puranas wird aus Prajapati Brahma. In den Puranas werden die geistgeborenen Söhne Brahmas Prajapatis genannt, denn Brahma sah vor, dass seine Söhne Nachkommen zeugen, um die Welt zu bevölkern.

Prajapati hat mir diese, mit allen Göttern, mit den Vätern eines Sinnes, geschenkt und die Kühe in unseren Stall getrieben. Mit deren Nachwuchs möchten wir zusammenwohnen. RV X.169.4 

Vishnu soll den Mutterschoß bereiten, Tvashta soll die Formen bilden, Prajapati soll den Samen eingießen, der Schöpfer soll dir eine Leibesfrucht machen! RV X.184.1

Prajapati soll uns Kinder erzeugen, bis zum hohen Alter soll uns Aryaman verschmelzen. Ohne übel Vorbedeutung tritt in die Welt des Gatten ein! Sei unseren Zweifüßlern zum Glück und den Vierfüßlern zum Glück! RV X. 85.43 

Prajapati, kein anderer als du umspannt schützend alle diese Geschöpfe. Mit Wunsche wir dir opfern, der werde uns zuteil! Wir möchten Gebieter von Reichtümern sein! RV X.121.10

In den einzelnen Schriften wird Prajapati unterschiedlich dargestellt, hier nur eine kleine Auswahl.

In der Vajasaneyi Samhita ist Prajapati das Wesen, vor dem nichts geboren war.
In der Taittiriya Samhita erschafft Prajapati das Feuer und erlangt damit Vormachtstellung.
Im Atharva Veda ist Prajapati der Schöpfer und Gewährer von Nachwuchs.
Im Taittiriya Brahmana tritt Prajapati als Schildkröte und als Eber auf, gleich Vishnu in seinen Inkarnationen.
Die Upanishaden beschreiben Prajapati als den Schöpfer des Universums.
In der Aitareya Upanishade ist Prajapati Brahman, das Absolute, das Numinose.

Prajapati fragt sich im Satapatha Brahmana X.4.2.3 ‚Wie kann ich all das zurücknehmen. Wie kann ich wieder das Gefäß werden, aus dem dies alles entstand?‘

Erkennend, dass alles was geschaffen wurde vergehen muss, schuf Prajapati Kala, die alles dahinraffende Zeit. Nun war Prajapati gleichzeitig Schöpfer, Erhalter, Auflösender. Auflösend in dem Sinne, dass wieder Neues entstehen kann.

In den Waldbüchern, Aranyakas, die Schriften, die die Weisen in den Wäldern studierten, wird Prajapati Brahman, das allumfassende Prinzip, das in den Upanishaden beschrieben wird.

Prajapati verliert seine Dominanz in den Upanishaden. Alle einst verherrlichten Figuren des Göttlichen wurden dem Konzept von Brahman untergeordnet. Sie lehren die Einheit von Brahman und Atman, als die Einheit der menschlichen, verkörperten Seele (Atman) mit der universalen Seele (Brahman/Paramatman).

Das Manifeste, die sichtbare Schöpfung, ist Saguna Brahman, Brahman mit Eigenschaften, das nicht Manifeste, das Transzendente, ist Nirguna Brahman, Brahman ohne Eigenschaften. Brahman ist das Eine ohne ein Zweites. Brahman ist das jedem Menschen innewohnende Selbst, die Seele, Atman, und die höchste Seele, Paramatman.

In den Puranas, den mythologischen Schriften, wurde aus dem Schöpfer Prajapati Brahma.

Für diesen Beitrag diente mir als Vorlage: Prajapati in the Vedic and the Puranic literature von Jagadish Sarma, M. A., B. Ed., M. Phil., Lecturer, Department of Sanskrit Gauhati University. Für die Erlaubnis der Übersetzung bedanke ich mich herzlich.

Quellen:
Hymnen aus dem Rig Veda: sanskritweb.net/rigveda/rigveda(punkt)pdf
Übersetzte Hymnen aus dem Atharva Veda: sacred-texts.com/hin/av/avbook10(punkt)htm